BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Grüne Gelnhausen

Sprecherin der Grünen Jugend im Interview

Die Perspektive der Generation Z: Politisches Meinungsbild im Generationenvergleich

08.02.21 –

Frauen und junge Menschen sind in der Politik unterrepräsentiert. Der Bundestag weist momentan einen Frauenanteil von 30,7 Prozent auf, während das Durchschnittsalter bei 49,4 Jahren liegt. Nur 12 von 709 Abgeordneten sind damit unter 30 Jahre alt, das sind weniger als zwei Prozent. Warum stellen sowohl Frauen als auch jüngere Menschen eine so deutliche Minderheit in der Politik dar? Diesen und noch weiteren politischen Fragen gehen wir mit der jungen, grünen Politikerin Sophie Abend und dem SPD-Kommunalpolitiker Axel Finkelnburg auf den Grund. Diese Debatte ist ein Teil der dreiteiligen Serie „Die Perspektive der Generation Z“, ein Projekt von sechs Studierenden der Hochschule der Medien Stuttgart.

 

Die Debattierenden im Portrait:

 

Sophie Abend ist 22 Jahre alt und kommt aus Gelnhausen (Hessen). Seit dem 1. Januar ist sie in der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aktiv. Sie ist erste Sprecherin der Grünen Jugend Gelnhausen. Auf Hessenebene ist sie des Weiteren aktiv im Arbeitskreis Bildung. Sophie Abend studiert aktuell Gymnasiallehramt für Englisch und Politik an der Goethe-Universität in Frankfurt.

 

Axel Finkelnburg ist 64 Jahre alt, wohnt in Sindelfingen und befindet sich seit Anfang des Jahres in Rente. Er hat bei dem IT-Unternehmen IBM gearbeitet. Mit 50 Jahren hat er seinen Job verlassen und hat sich für den Schritt in die Politik entschieden. Axel Finkelnburg gehört seit 15 Jahren der SPD an und ist seit zwölf Jahren im Gemeinderat der SPD Sindelfingen tätig. Seit sieben Jahren ist er zudem noch Teil des Kreistags Böblingen.

 

Was gab den Ausschlag, dass Sie Politiker:in werden wollten? Was treibt Sie weiterhin an, sich dort aktiv zu beteiligen?

 

Axel Finkelnburg: Ich bin wegen Helmut Schmidt und Willy Brandt in die Partei eingetreten. Mein Vater war ebenfalls schon in der SPD tätig. Ich bin nicht so der Bundespolitiker, sondern eher der Kommunalpolitiker. Meiner Ansicht nach kam die Kultur in Sindelfingen etwas zu kurz. Als Hobby-Schauspieler ist es mir weiterhin wichtig dort Positives zu bewirken. Inzwischen bin ich Fraktionsvorsitzender und die politische Arbeit ist mittlerweile deutlich umfangreicher als noch zu Beginn.

 

Sophie Abend: Das Verhalten in der Stadtverordnetenversammlung war ausschlaggebend für meinen Eintritt in die Partei. Eine männerdominierte Politik-Oase. Durch eine Freundin habe ich dann die Möglichkeit bekommen Politik selbst zu erfahren. Außerdem ist es meiner Meinung nach für Lehramt-Student:innen im Bereich Politik wichtig, erst einmal selbst politische Erfahrungen zu sammeln, bevor man den Schüler:innen im Politik-Unterricht etwas beibringen möchte. Spaß und Persönlichkeitsentwicklung sind treibende Kräfte für mein politisches Engagement. Das Schöne an der Kommunalebene ist, dass man sieht was man verändert. Man gestaltet quasi sein Zuhause mit.

 

Sind Ihrer Meinung nach Frauen in der Politik unterrepräsentiert?

 

Sophie Abend: Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in unserer Politik mit einer Besetzung der Gremien von mindestens 50% ist ein großes Ziel der Partei. Auf Listenplatz eins haben wir eine 22-Jährige. Damit halten wir das Frauenstatut sehr gut ein. Wir wachsen stetig und der Fakt, dass wir es geschafft haben die „Grüne Jugend“ selbst zu gründen, zeigt, wie viel Potenzial und Kraft hier in Gelnhausen steckt.

 

Axel Finkelnburg: Das Problem mit der Unterrepräsentierung der Frauen tritt bei uns in der Fraktion nicht auf. Fünf von Sieben Fraktionsmitglieder:innen sind Frauen, die jung und dynamisch sind. Wir haben bei der SPD gezielt danach geschaut, qualifizierte Frauen für unsere Partei zu akquirieren. Allerdings haben wir auch die Erfahrungen gemacht, dass Frauen sich nicht an die großen Themen heranwagen und nicht gerne die Last des Entscheidungsträgers übernehmen wollen. Ich bin der Meinung, dass Frauen vor allem in der CDU und bei den Freien Wählern reichlich unterrepräsentiert sind.

 

Sophie Abend: Ich stimme dir zu, bei uns in Gelnhausen ist das in vielen Parteien der Fall. Ich denke aber auch, dass das Thema sehr ortsabhängig ist. Die CDU hat auf Listenplatz sechs die erste junge Frau. In der FDP sind sogar gar keine Frauen vertreten. Die Frauen werden innerhalb der Parteien klein gehalten.

 

Halten Sie den Altersdurchschnitt des Bundestages mit etwa 49 Jahren für angemessen?

 

Axel Finkelnburg: Ich halte den Altersdurchschnitt für angemessen. Es ist eine gute Mischung, man muss aber dennoch auch aufpassen. Wolfgang Schäuble wird bald 80 Jahre alt. Ich verstehe nicht, wieso manch Ältere nicht Platz für Jüngere machen.

 

Sophie Abend: Ich würde mir tatsächlich noch ein paar mehr jüngere Kandidat:innen wünschen. Der Bundestag sollte eine substanzielle Repräsentation der Gesamtbevölkerung darstellen und die ist aktuell nicht vorhanden. Insbesondere Entscheidungen, die die jüngere Generation betreffen, wie zum Beispiel die Klimakrise, sind Gründe dafür, dass diese Generation mehr Gehör finden sollte. Die ältere Generation fällt Entscheidungen, die sie gar nicht mehr direkt betreffen werden. Mehr Durchmischung würde ich mir wünschen.

 

Braucht es Ihrer Meinung nach mehr frischen Wind in der Politik durch die jüngere Generation?

 

Sophie Abend: Es gibt diese jungen Personen, wie zum Beispiel Deborah Düring von der Grünen Jugend Hessen, die auch Bundestagsdirektkandidatin ist. Die Frage ist, inwieweit lassen die älteren Politiker:innen diesen Wandel zu? Die Problematik beginnt schon auf Kommunalebene. Wenn jungen Politiker:innen schon so früh Steine in den Weg gelegt werden, dann geht komplett die Motivation verloren.

 

Axel Finkelnburg: Wir haben eine aussichtsreiche junge Bundestagskandidatin aus dem Kreis Böblingen. Sie muss sich regelrecht beweisen, dass sie das wirklich will und kann. Es bleibt abzuwarten, ob ihr nicht wieder jemand Älteres den Rang abläuft. Ich würde mir wünschen, dass wir denen die das Zeug dazu haben auch die Chance geben. Generell arbeite ich gerne mit jungen Politiker:innen zusammen und höre auf sie.

 

Sophie Abend: Wir sind zum Beispiel drei junge Frauen, die sich um die Hauptorganisation vom kompletten Wahlkampf kümmern. Wir wünschen uns natürlich hier den Rückhalt der Älteren, den wir zum Großteil auch bekommen. Im Endeffekt ist es wichtig, dass man miteinander als Team fungiert.

 

Axel Finkelnburg: Bei uns ist das auch schon etwas fortgeschritten. Wir haben in der Kommune junge Leute, die gewählt und unterstützt werden. Bei uns ist der Gemeinschaftsgedanke sehr gut.

 

Warum können sich jüngere Leute immer schwerer mit einer Partei identifizieren? Warum gehen diese Leute gerade lieber auf die Straße?

 

Sophie Abend: Fridays for Future ist eines der Hauptthemen, welches die Jugend heutzutage beschäftigt und per se ist es ein parteiübergreifendes Thema. Die Generation Z geht für ein gemeinschaftliches Ziel auf die Straße, da Sie merken, dass sie in den Parteien mit ihren Zielen und Botschaften nicht ankommen. Das Herunterspielen der Demonstrationen ist ein ganz großes Problem. Es geht hierbei nicht nur um das Schule schwänzen, sondern sie stehen für Ihre Zukunft ein. Das macht die Grundessenz einer Demokratie aus und wenn jüngere Leute merken, dass sie nicht wahrgenommen werden, warum sollten Sie dann den Schritt weiter gehen, um sich aktiv in einer Partei zu engagieren, wo sie das Gefühl haben, ihre Meinung würde nicht ausreichend zählen. Laut der aktuellen Sinus-Studie assoziieren 52% der Jugendlichen Politik mit etwas Negativem, das ist jeder zweite Jugendliche – das sollte den Politiker:innen sehr zu denken geben. Dass die Jugend sich dann noch mit Kommentaren wie „Überlasst das doch mal uns Profis“ auseinandersetzen muss, bringt noch mehr Problemlösungsdefizite mit sich. Irgendwann fehlt der Generation Z dann auch die nötige Kraft, um weiter zu machen.

 

Axel Finkelnburg: „Die machen sowieso was sie wollen“ heißt es meist von politisch interessierten Jugendlichen. Nicht nur die Jugend, sondern auch die ältere Generation ist wahlmüde. Die Politikmüdigkeit entsteht dadurch, dass die Menschen denken, dass Wählen nichts mehr bringt. Die Politik verspricht viel aber setzt wenig um. Der Weg zur Wahlurne erscheint als bedeutungslos. Dadurch habe ich das Gefühl, dass es nicht mehr viele Schüler:innen gibt, die sich wirklich für Politik interessieren. Man müsste schon in den Schulen sensibler mit der Thematik umgehen.

 

Welchen Einfluss hat denn die Schule auf die politische Bildung?

 

Sophie Abend: Das ist ein Punkt, den ich im Bildungssystem sehr ankreide. Politik und Wirtschaft ist als Fach nicht überall gleichmäßig vertreten. Ab der Jahrgangsstufe zwölf ist das Fach außerdem abwählbar und es wird meist nur zwei Wochenstunden unterrichtet. Dass man zum Beispiel in Bayern und Sachsen keine richtige politische Bildung hat, ist für mich als angehende Politik-Wirtschaft-Lehrerin unverständlich. In einem demokratischen Land sollte man den Schüler:innen eine demokratische Erziehung ermöglichen. Wir verfolgen das Ziel in der Schule, dass Schüler:innen die Kernkompetenz der Handlungsfähigkeit erlangen.

 

Frau Abend, was war der Initiator, dass die Jugend wieder so politisch aktiv ist wie

lange nicht mehr? Welche politischen Ziele stecken dahinter?

 

Sophie Abend: Ich glaube grundsätzlich, dass die Jugend für ihre Zukunft kämpft. Wenn man sich die Wetteraufzeichnungen der letzten 100 Jahre anschaut, dann sieht man auch, dass es immer wärmer wurde. Dadurch, dass man es fühlt und sieht, ist es eine existenzielle Bedrohung. Im Zuge dessen hat die Generation Z einen Motivationsschub bekommen.

 

Warum verhallt der Protest der Generation Z oft? In welchen Punkten kommt man auf keinen Nenner und wo fehlt beiden Seiten das gegenseitige Verständnis?

 

Sophie Abend: Schüler:innen werden nicht mehr ernst genommen. Man vergisst, dass einige auf der Schwelle zur Volljährigkeit und dadurch auch die Wähler der Zukunft sind. Deshalb hinterlassen die Proteste auch keine Wirkung. 2018 haben sie angefangen zu protestieren und seitdem ist nichts passiert. Das Klimaschutzabkommen wird sicherlich wieder in irgendeiner Schreibtischschublade verschwinden. Die Interessen der Konzerne werden priorisiert. Lobbyismus ist das Stichwort!

 

Axel Finkelnburg: Ich bin da ja fast Grünen-Politiker und sehe das ganz ähnlich. Die Demonstrationen sollten aber nachhaltiger sein, um Ergebnisse zu erzielen. Es wäre unbedingt wichtig, dass Politiker:innen auch vor Ort tätig werden und sich den Diskussionen stellen. Ein Politiker der Grünen-Partei und ich waren die einzigen aus dem Kreis Sindelfingen, die bei den örtlichen Demonstrationen vor Ort waren. Man müsste darauf hinwirken, dass aus allen Reihen Politiker:innen anwesend sind. Gegen den Vorwurf es gehe dabei um das Schule schwänzen muss man extrem dagegenhalten, denn die Generation Z verfolgt ein klares Ziel und will etwas erreichen.

 

Herr Finkelnburg, gab es bisher einen WOW-Effekt in Ihrer politischen Arbeit, in dem Sie gemerkt haben, dass die Generation Z Recht hat und Sie sich davon erst überzeugen lassen mussten?

 

Axel Finkelnburg: Für mich war das Thema Klimawandel nicht präsent, das sage ich ganz ehrlich. Das ist ein Verdienst der Generation Z. Durch die Proteste wurde dieses Thema an die Öffentlichkeit herangetragen. Man sieht das auch hier in Stuttgart, wo zum Beispiel Feinstaub-Messungen durchgeführt wurden und das ist meiner Ansicht nach aufgrund der Generation Z passiert und war für mich ein echter WOW-Effekt. Als ich mich dann selbst mit dem Thema befasst habe, dachte ich, dass sie absolut recht haben und ganz schnell etwas passieren muss. Mich hat das tatsächlich dann auch in meinem privaten Leben beeinflusst, ich fliege nicht mehr so viel und fahre weniger Auto, dafür nutze ich nun öfter das Fahrrad.

 

Frau Abend, gibt es etwas, was Sie der älteren Generation in der Politik vorwerfen wollen?

 

Sophie Abend: Ich glaube, dass sie die Generation Z bewusst klein hält. Die Ignoranz und den Zynismus möchte ich der älteren Generation gerne vorwerfen. Politik muss man außerdem schon in der Schule ansetzen, um es interessant zu gestalten. Politik muss da gelebt werden wo die Schüler:innen sich schon aufhalten und das ist in der Schule. Man sollte ganz unten anfangen um etwas zu verändern.

 

Herr Finkelnburg, gibt es etwas, was Sie der Generation Z in der Politik vorwerfen wollen?

 

Axel Finkelnburg: Diese Generation soll sich Ziele setzen und diese stärker kommunizieren. Mir persönlich fehlt der rote Faden dahinter. Demonstrieren ist das eine, aber uns zu demonstrieren was man erreicht hat ist das andere. Die Jugend müsste mehr Überzeugungsarbeit leisten, ein Rezept dafür habe ich aber auch nicht.

 

Müsste das Wahlalter herabgesetzt werden, um die Generation Z mehr in die Politik miteinzubinden?

 

Sophie Abend: Wenn man sagt, dass man etwas nachhaltigeres braucht als nur Demonstrationen ist die logische Konsequenz das Herabsetzen des Wahlalters.

 

Axel Finkelnburg: Da stimme ich zu, dann muss das Thema allerdings mehr in den Schulen präsent sein. Wenn es mehr politische Bildung in den Schulen gibt, dann wäre ich einverstanden, dass ab 16 Jahren schon gewählt werden darf. Das Wichtigste ist es, jungen Menschen klar zu machen, welchen Einfluss man durch das Wählen hat und was man damit bewirken kann. Damals hat mir das mein Vater vermittelt, dass es wichtig ist wählen zu gehen. Aber darauf kann man sich heutzutage nicht mehr richtig verlassen, da die Rolle der Politik innerhalb der Familien keinen so großen Stellenwert mehr einnimmt.

 

Welche Rolle spielen Umweltschutz, Ressourcenschonung, Integrität und Mobilität für die Zukunft in Ihrer Partei?

 

Axel Finkelnburg: Eine sehr wichtige Rolle, vor allem Ressourcenschonung. Öffentlicher Nahverkehr sollte bezahlbarer sein, der Ausbau der Straßen sollte verringert werden. Die Bundespartei hat in diesen Aspekten noch Nachholbedarf, aber sieht sich auch in der Pflicht diesen Themen nachzugehen.

 

Sophie Abend: Umweltschutz und Ressourcenschonung sind beides Hauptthemen meiner Partei, nicht nur auf Kommunalebene. Ein wichtiger Punkt ist Integrität, sprich seinen eigenen Werten treu bleiben. Des Weiteren braucht man eine Lösung für den Individualverkehr. Es ist nicht mehr zeitgemäß eine Autobahn zu bauen.

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